
Eine kurze Einführung in die estnische Sprache: melodisch, mit 14 Fällen und deutschen Wurzeln
Estnisch ist einzigartig, voller Charme – und gar nicht so unmöglich zu lernen, wie Sie denken.
Wer sich für Sprachen begeistert, findet im Estnischen ein faszinierendes Abenteuer: melodisch, voller Eigenheiten – und überraschend vertraut dank vieler deutscher Einflüsse.
In Estland kommt man auch ohne Estnisch gut durchs Leben. Fast alle sprechen Englisch, viele sogar Deutsch oder Russisch. Doch ein freundliches „Aitäh“ (Danke) in der Landessprache zaubert garantiert ein Lächeln ins Gesicht.
Warum Estnisch?
Für deutschsprachige Besucher Estlands ist diese merkwürdige Sprache zunächst ein Buch mit sieben Siegeln. Für deutsche Ohren klingt sie fremd, aber gleichzeitig angenehm weich und rhythmisch.
Linguisten zählen Estnisch zu den schwereren Sprachen: Für eine solide Beherrschung veranschlagt man über 1.000 Unterrichtsstunden. Dennoch lohnt sich der Einstieg, schon weil man den Esten damit eine Freude macht. Außerdem hat keine andere Sprache so viele Spuren im Estnischen hinterlassen wie das Deutsche – und das macht den Zugang gar nicht so schwer.

Urheber des Bildes: Visit Estonia
Einzigartig in Europa
Estnisch gehört zur finno-ugrischen Sprachfamilie, wie auch Finnisch und Ungarisch. Mit rund 1,3 Millionen Muttersprachler*innen ist es weltweit zwar eine kleine Sprache, doch in Estland natürlich offizielle Staats- und daher auch EU-Amtssprache.
Die Alphabetisierungsrate Estlands liegt übrigens bei stolzen 99,8 % – kaum ein anderes Land ist hier weiter.
Ein Blick in die Grammatik zeigt, warum Estnisch so besonders ist: Es gibt 14 Fälle, 32 Buchstaben und keinen Unterschied zwischen „der“, „die“ oder „das“. Artikel und grammatisches Geschlecht? Fehlanzeige. Und die Zukunft wird meist einfach im Präsens ausgedrückt – „Die Esten haben weder Geschlecht noch Zukunft“, scherzt man im Land selbst. Diese Eigenheiten machen die Sprache für Lernende durchaus reizvoll.

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Dialekte und Klänge
Estnisch lebt auch von seinen regionalen Färbungen. Es gibt acht Hauptdialekte mit insgesamt über 100 Unterformen, die grob in eine nördliche und eine südliche Gruppe unterteilt sind. Fürs tägliche Leben brauchen Sie sich darüber aber keine Gedanken zu machen: Das Hochestnische versteht man im ganzen Land.
Besonders schön ist der Klang der Sprache – viele Vokale, wenige harte Laute, ein bisschen wie ein fließender Gesang. Zungenbrecher inklusive: Probieren Sie mal „kuulilennuteetunneliluuk“ (die „Kugelflugwegtunnelluke“) laut aus!

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Nützliche Ausdrücke für den Alltag
Mit diesen kleinen Floskeln gewinnen Sie sofort Sympathien:
Tere – Hallo
Aitäh – Danke
Palun – Bitte
Vabandust – Entschuldigung
Nägemist – Auf Wiedersehen
Terviseks! – Prost!
Einfach ausprobieren – die Esten werden es Ihnen danken.

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Deutsche Spuren im Estnischen
Deutsch hat über Jahrhunderte tiefe Spuren im Estnischen hinterlassen. Schon seit dem 13. Jahrhundert gelangten Lehnwörter aus dem Niederdeutschen in den estnischen Wortschatz, heute sind es rund 15 %. Nach der Reformation kamen noch viele hochdeutsche Begriffe hinzu. So werden Sie in Estland u. a. diesen „alten Bekannten“ begegnen:
köök – Küche
pannkook – Pfannkuchen
arst – Arzt
vürts – Gewürz
kleit – Kleid
kardin – Gardine
tisler – Tischler
pekk – Speck
Diese Verwandtschaft macht es deutschen Lernenden etwas leichter, einen Einstieg zu finden.

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Sprachspaß und Wortkreationen
Esten sind kreativ mit ihrer Sprache. Immer wieder werden Wettbewerbe ausgerufen, um neue Begriffe für moderne Phänomene zu finden. Manchmal setzen sich sogar die nicht-prämierten Vorschläge durch. Ein schönes Beispiel ist „taristu“ für Infrastruktur – ein Wort, das einige Esten dennoch nicht mögen.
Auch bei Wortzusammensetzungen kennt Estnisch kaum Grenzen: „sünnipäevanädalalõpupeopärastlõunaväsimatus“ bedeutet so viel wie „Geburtstagswochenendfeiernachmittagsunermüdlichkeit“.
Besonders charmant sind die vielen melodischen Wörter mit nur wenigen Konsonanten, wie „jäääär“ (Eisrand), „ajaja“ (Fahrer) oder „kõueöö“ (Gewitternacht).

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Estnisch lernen: eine Herausforderung, die sich lohnt
Natürlich: Estnisch lernt sich nicht über Nacht. Aber schon mit ein paar Redewendungen öffnen Sie Türen – und Herzen. Online gibt es viele Möglichkeiten für den Einstieg, von Sprach-Apps wie Lingvist bis zu unterhaltsamen Wortschatzspielen mit Zungenbrechern.
Probieren Sie doch gleich mal aus, „küsimusi“ (Fragen) oder „jäääär“ fehlerfrei auszusprechen – und teilen Sie Ihren Erfolg mit dem Hashtag #visitestonia auf Instagram!

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Lust auf mehr Estland?
Sprache und Geschichte sind in Estland untrennbar miteinander verwoben. Wenn Sie erfahren möchten, wie sich das Land über die Jahrhunderte entwickelt hat – von den Anfängen bis zur heutigen modernen Republik –, werfen Sie doch auch einen Blick in unseren Artikel über die Geschichte Estlands. Entdecken Sie die prägenden Ereignisse, die das Land und seine Sprache zu dem gemacht haben, was sie heute sind:

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Last updated
23.07.2025