Ein Koch bereitet das Essen in der Natur zuQuelle: Renee Altrov, Visit Estonia

Was der Este gemeinhin so isst

Der Este isst gern und die estnische Küche hat Einflüsse aus vielen Nationen. Allerdings gibt es auch ausgesprochen Merkwürdiges zu berichten.

Mihkel Raud

Die Esten lieben Essen und wie bei vielen anderen Völkern findet man in ihren Ernährungsgewohnheiten auch einige Eigentümlichkeiten, die man nirgends sonst antreffen kann.

Wunderbare Spleens

Eine ähnliche Rolle, wie sie für den Russen die Okroschka, für den Finnen die Lakritze, für den Japaner das rohe Pferdefleisch, für den Deutschen die Zungenwurst, für den Schweden der Gammelfisch und für den Chinesen die tausend Jahre alten Eier spielt, spielen für den Esten der Ostseehering in Tomatensoße, unverarbeitete Kuhmilch, weichgekochte Makkaroni, Mayonnaise und Butterbrot mit Sprotten.

Was um Himmels Willen ist Ostseehering in Tomatensoße?

Der Ostseehering ist der amtliche estnische Nationalfisch und aus irgendeinem seltsamen Grund lieben es die Esten ihren Talisman mit Kiemen in Tomatensoße zu essen.

Diese Soße übrigens ist ein ziemlicher Gaumenschmaus (gar nicht zu sprechen vom Ostseehering!) und wird trotz ihres abschreckenden Äußeren schon nach der dritten Gabel erträglich. Der Ostseehering in Tomatensoße ist fast die einzige Sache, die man während der sowjetischen Okkupation in den estnischen Lebensmittelläden kaufen konnte. Vielleicht ist dies auch einer der Gründe, warum der in roter Soße ertränkte Fisch in den Esten bis heute den Pawlowschen Reflex hervorruft.

Mann mit Fisch

Quelle: Renee Altrov, Visit Estonia

Rohmilch! Es darf nur Rohmilch sein!

Obwohl der Ostseehering in Tomatensoße nicht nach gesundem Essen klingt, ist der moderne Este ganz schön ökoverrückt und in seinen Verdauungstrakt kommt nicht so leicht irgendetwas, das nicht ökologisch oder natürlich ist.

So trinkt der Este nur die Milch, die die Hausfrau des Nachbarbauernhofes direkt aus dem Kuheuter in Milchkannen melkt. Keine Verarbeitung oder Zusatzstoffe!

Und wenn der Este keine Hausfrau im Nachbarbauernhof hat, wirft er seinen Sechs Liter Hubraum-Hummer an, rast, die Straßenordnung ignorierend, in den nächsten Ökoladen und kauft dort eine Kiste Ökomilch.

Eine Frau trinkt Milch zum Frühstück

Quelle: Tajo Oja, Visit Estonia

Totgekochte Nudeln

Eine ganz eigenartige Beziehung haben die Esten aber zu den Makkaroni. Eben zu den Makkaroni, denn der Begriff Pasta kam in das Leben der Esten erst, als die staatliche Unabhängigkeit wiederhergestellt war. In der Sowjetära nannte der Este auch Spaghetti und andere Pasta-Sorten Makkaroni. Darüber hinaus hat der Begriff „Pasta“ im Estnischen auch eine andere Bedeutung und der steht eher mit dem Zähneputzen in Verbindung als mit kulinarischen Genüssen.

Interessant, dass die Esten davon überzeugt sind, dass Makkaroni (also Röhrennudeln und auch alle anderen Pasta-Sorten) so weich gekocht werden müssen, dass sie im Mund im wahrsten Sinne des Wortes zergehen.

Wenn man dem Esten im Restaurant Nudeln Al dente serviert, lässt er sie einpacken, wirft sie zu Hause in den Topf und kocht sie noch ein paar Dutzend Minuten – erst dann schmecken ihm die Makkaroni. Sie sind dann so, wie er sie aus seiner Kindheit kennt.

Makkaroni

Quelle: Adobe Stock

Nur estnische Mayonnaise ist gute Mayonnaise!

Mit der Mayonnaise ist es noch ernster. Die Esten sind nämlich davon überzeugt, dass nur sie eine ordentliche Mayonnaise anfertigen können. Und interessanterweise haben sie damit vollkommen Recht. 

Die estnische Mayonnaise ist unglaublich gut, besonders mit gekochten Eiern oder im Ofen gebackenem Lachs.

Wer estnische Mayonnaise nicht probiert hat, weiß von Mayonnaise nichts!

Nur für diese Erfahrung macht es Sinn, sofort ein Flugticket zu buchen und bei der Ankunft in den nächsten Lebensmittelladen in Tallinn zu gehen!

Ohne Butterbrot mit Sprotten geht gar nichts.

Wem es nicht möglich ist, sofort nach Estland zu fahren, der sollte zu Hause versuchen, ein ordentliches estnisches Sprottensandwich anzufertigen. Es braucht zwar etwas Zeit und Geduld, aber das Endergebnis ist dieser Mühe Wert!

Ein auf estnische Art angefertigtes Spottenbutterbrot würde bei Weltmeisterschaften der Sprottenbutterbrote bestimmt den ersten Platz gewinnen, wenn solche Wettkämpfe ausgetragen würden.

Sprottenbutterbrot aus Estland

Quelle: Aron Urb, Visit Esonia

Alternativen

Für Feinschmecker wird es in Estland nicht langweilig und wem die traditionellen estnischen Gerichte irgendwann auf die Nerven gehen, kann ruhig russische, chinesische, japanische, indische und  italienische Restaurants besuchen – die gibt es sowohl in Tallinn, Tartu und Pärnu als auch in anderen estnischen Städten auf hohem Niveau!

Ein Mann sammelt Pilze in Estland

Quelle: Ken Mürk, Visit Estonia

PS

Wenn Ihnen nach etwas Süßem ist: Sie müssen Kohuke probieren! Auch ohne Kohuke geht in diesem Land gar nichts.

Kohuke-Produktion in Estland

Quelle: Renee Altrov, Visit Estonia

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Mihkel Raud