Ältere Estin steht am GartenzaunQuelle: Jaanus Ree, Visit Estonia

Der Este und seine Nachbarn

Wer ist der Este und was hält er von seinen Nachbarn? Ist er auf sie neidisch, bewundert er sie – oder ist es etwas ganz anderes? Fragen über Fragen.

Mihkel Raud

„Wozu leben wir denn, wenn nicht zur Belustigung unserer Nachbarn und dazu, auch unsererseits über sie zu lachen?“ fragte die englische Schriftstellerin Jane Austen. Wenn man die Nation sucht, die diesem Zitat am besten entspricht, sind die Esten ganz sicher die Favoriten.

Der neidische Este

Eigentlich hat der Este Respekt vor seinen Nachbarn. Dank der Finnen gelang es den Esten während der sowjetischen Okkupation einzelne „echte“ Dinge zu bekommen. Die finnischen Freunde brachten den Esten Kaugummi, Coca Cola, Jeans und andere Wunder der freien Welt als Gastgeschenk mit, von denen die Esten nur vom Hörensagen wussten.

Zugleich ist der Este auf den Finnen auch ein bisschen neidisch. Den Finnen ging es nämlich in der Geschichte immer etwas besser: Sie mussten nicht die russische Unterdrückung ertragen. Während der Este mit zusammengebissenen Zähnen als Vorarbeiter des Kremls diente, konnte der Finne ruhig den Kapitalismus genießen und seine Wirtschaft entwickeln. 

Männer auf See

Quelle: Stina Kase, Visit Estonia

Der selbstmitleidige Este

Vor dem Zweiten Weltkrieg lief die estnische Wirtschaft sogar besser als die Finnische! Wenigstens gefällt es dem Esten, dies bei jeder Gelegenheit gebetsmühlenartig zu wiederholen. Der Russe hat dem Esten dann alles weggenommen und in 50 Jahren dafür gesorgt, dass der Este seinen eigentlich angeborenen Fleiß vollständig vergessen hat.

Der Finne dagegen blühte in der selben Zeit total auf. Das wird der Grund dafür sein, dass der Este - besonders, wenn er zu tief ins Glas geschaut hat - über den Finnen hinter seinem Rücken schimpft.  Direkt traut sich der Este aber nicht, mit dem Finnen böse zu sein, immerhin handelt es sich um ein Brudervolk.

Mittelalterspiel in Tallinn

Quelle: Ken Mürk, Visit Estonia

Der misstrauische Este

Zum Glück lebt in Europa ein Volk, mit dem sowohl die Esten als auch die Finnen ein Hühnchen zu rupfen haben und über das man hervorragend zusammen klatschen kann. Das sind natürlich die Schweden, denen es sogar noch besser geht als den Finnen und die daher den eifersüchtigen Esten besonders gereizt werden lassen.

Besonders regt es die Esten auf, dass alle in Estland tätigen großen Banken den Schweden gehören. Dem schwedischen Banker muss man ständig etwas abgeben, selbst beim Bezahlen für das Weißbrot im Laden. Kling!, der schwedische Banker ist wieder um einen Cent reicher geworden.

Bezahlst du der oder dem Ex Alimente: Kling!, der schwedische Banker ist vor Freude außer sich. Bezahlst du die Verkehrsstrafe - Kling!, die Laune des schwedischen Bankers ist blendend.

Selbst wenn du deinem Kind einen Lutscher kaufst, bekommt der schwedische Banker einen unausweichlichen Obolus.

Misstrauischer Este

Quelle: Rasmus Jurkatam

Der Este als Freund

In kritischen Momenten ist der Este aber solidarisch mit seinen Nachbarn. Z.B. geben sie beim Eurovision Song Contest, den die Esten lieben, ihre zwölf Punkte immer den Schweden, Finnen, Letten und früher manchmal sogar den Russen. 

Es macht dem Esten einen riesigen Spaß, über die Nachbarn zu tratschen, aber eigentlich liebt er  seine Nachbarn heiß und innig. Und ganz eigentlich liebt der Este sogar alle anderen, auch wenn er das nicht immer so offen zeigen kann.

Freunde in Tallinn

Quelle: Rasmus Jurkatam, Visit Estonia

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Mihkel Raud