Arvo PärtQuelle: Eric Marinitsch

Arvo Pärt – der weltbekannte estnische Komponist

Der estnische Komponist Arvo Pärt wird in diesem Jahr 90 – und seine stille Musik begeistert noch immer Menschen auf der ganzen Welt.

Laut Bachtrack war Arvo Pärt 2022 und von 2012 bis 2019 der weltweit meistgespielte Komponist zeitgenössischer klassischer Musik. 2023 und 2024 belegte er den zweiten Platz. Pärts anhaltende Popularität lässt darauf schließen, dass seine Beiträge zur modernen Musik noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, nachhallen werden.

Arvo Pärt feiert diesen September seinen 90. Geburtstag. Daher wird es 2025 in Estland und weltweit zahlreiche Veranstaltungen zu seinen Ehren geben.

Björk, Sigur Rós, Thom Yorke von Radiohead, Nick Cave, PJ Harvey und Rufus Wainwright haben etwas gemeinsam: Sie sind Fans von Arvo Pärt. Der estnische Komponist ist vielleicht der international bekannteste Kulturexport seines Landes. Seine Musik hat Künstler auf der ganzen Welt über ein halbes Jahrhundert hinweg inspiriert – und seine Beiträge zur modernen Musik werden wohl noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, nachhallen.

Die frühen Jahre Arvo Pärts

Arvo Pärt wurde in Paide geboren, einer kleinen Stadt in Mittelestland, und zog als Kind nach Rakvere im Norden des Landes. Früh begann er, Klavier zu spielen, später studierte er Musik am Tallinner Konservatorium, der heutigen Estnischen Akademie für Musik und Theater. In den 1960er-Jahren wurde Pärt zu einem gefragten Komponisten, dessen Musik auch in mehreren estnischen Filmen zu hören war.

Die späten 60er- und frühen 70er-Jahre waren eine Phase intensiver innerer Zerrissenheit und Suche. Pärt vertiefte sich in die Polyphonie der Renaissance und den gregorianischen Gesang, trat der orthodoxen Kirche bei und heiratete. Rückblickend sagte er über diese Zeit, dass ihm die herkömmlichen musikalischen Mittel nicht mehr ausreichten. Er habe empfunden, als wolle er Suppe mit einer Gabel oder Fleisch mit einem Löffel essen – so bildhaft beschrieb er sein Ringen um Ausdruck.

Arvo Pärt mit Fahrrad; Denkmal in Rakvere, Estland

Quelle: Rivo Veber, Visit Estonia

Tintinnabuli und die Emigration aus Estland

1976 gelang Pärt mit dem Klavierstück „Für Alina“ der Durchbruch. Komponiert hatte er es nach selbst entwickelten Regeln, die er „Tintinnabuli“ nannte. Eine der Ideen: Zwei Klanglinien ergeben zusammen eine einzige – „eins plus eins ist eins“. Typisch für diesen Stil sind auch die nachklingenden Töne, vergleichbar mit den Schwingungen, die nach dem Läuten einer Glocke in der Luft hängen bleiben. „Für Alina“ und „Spiegel im Spiegel“ (1978) zählen bis heute zu seinen bekanntesten Werken.

Vieles in Pärts Werk ist sakral geprägt – inspiriert von liturgischen Texten und mystischen Erfahrungen. Während der sowjetischen Besatzung war dies problematisch: Religiöse Bekenntnisse galten als unerwünscht. Zudem wurde ihm vorgeworfen, zu stark vom Westen beeinflusst zu sein – was stimmte, denn seine Musik fand dort immer mehr Anklang. 1980 zwang das Regime Arvo Pärt und seine Familie schließlich zur Ausreise.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Wien ließ sich die Familie in Berlin nieder, wo Pärt fast drei Jahrzehnte lebte. Hier genoss er die kreative Freiheit, die ihm zuvor verwehrt geblieben war. Er komponierte weiter: Orgelwerke, Kammer- und Orchestermusik, Sinfonien, Werke für Chöre, Solisten und A-cappella-Ensembles.

Arvo Pärt

Quelle: Kaupo Kikkas, Visit Estonia

Das Arvo Pärt-Zentrum

2010 kehrte die Familie Pärt nach Estland zurück und gründete das Arvo-Pärt-Zentrum, das sich der Bewahrung seines persönlichen und künstlerischen Archivs widmet. Es dient zugleich als Ort der Begegnung – für Musiker wie für Interessierte, die sich seiner Klangwelt annähern möchten.

Das Zentrum liegt in Laulasmaa, rund 35 Kilometer westlich von Tallinn, und ist am besten mit dem Auto zu erreichen – aber auch per Bus. Der Weg vom Parkplatz führt durch einen Wald, der zunehmend dichter wird – und damit unmittelbar erfahrbar macht, was Pärt meint, wenn er von der Bedeutung der Stille spricht. Im Sommer begleitet Vogelgezwitscher den Spaziergang, im Winter stehen die Kiefern still und schneebedeckt.

Das Gebäude aus Glas, Holz und Beton geht einen poetischen Dialog mit der Umgebung ein – ohne rechte Winkel, wodurch die Räume fließend ineinander übergehen.

Ein Einführungsvideo vermittelt Pärts Leben und Werk. Besucher können mit Audioguide durch die Ausstellung gehen. Es gibt eine kleine orthodoxe Kapelle, eine Bibliothek, einen Konzertsaal mit 150 Plätzen und ein Café. Im Sommer bietet ein Aussichtsturm den Blick bis zur Ostsee.

Das Zentrum ist das ganze Jahr über Schauplatz hochkarätiger Konzerte und Vorträge. Im September finden die „Pärt-Tage“ mit Veranstaltungen im ganzen Land statt – ein Höhepunkt für Fans.

Unser Autor Felix Hau hat seine Eindrücke vom ersten Besuch im Zentrum hier beschrieben:

Raum und Zeit enthoben und doch ganz tief im Leben – ein Besuch im Arvo Pärt-Zentrum

Der Besuch des Arvo Pärt-Zentrums in Laulasmaa ist ein beeindruckendes, meditatives und beglückendes Erlebnis.

Raum und Zeit enthoben und doch ganz tief im Leben – ein Besuch im Arvo Pärt-Zentrum

Quelle: Christopher Braun, Visit Estonia

Was man in Laulasmaa und Umgebung unternehmen kann

Laulasmaa heißt auf Estnisch „singendes Land“ – benannt nach dem feinen Sandstrand, der beim Gehen tatsächlich Töne erzeugt. Der Strand ist lang, ruhig und bietet einen Surfclub für Wassersportfreunde.

Nur einen Kilometer entfernt liegt das LaSpa Laulasmaa – ein SPA-Resort mit Hotel, großer Saunalandschaft und dem Restaurant Wicca, das 2022 in der estnischen MICHELIN-Ausgabe gelistet wurde.

In kurzer Autofahrt erreicht man außerdem den Golfplatz Niitvälja, die Wasserfälle von Treppoja und Keila sowie Schloss Fall – ein restauriertes Anwesen mit Hotel, Restaurant und Museum in Keila-Joa.

 

Zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden

Estland lädt zum langsamen Reisen, zur Besinnung und zur Wertschätzung kleiner Wunder ein.

Laulasmaa liegt nah genug für einen Tagesausflug von Tallinn – wirkt aber wie eine eigene und ganz andere Welt. Wer hierher kommt, erlebt Estland mit Pärts Augen: still, kontemplativ, offen für das Wunder im Alltäglichen.

Arvo Pärts Sohn Michael brachte es in einem Interview mit Bachtrack am besten auf den Punkt: „Es ist so leicht, sich ablenken zu lassen, den Fokus zu verlieren … angesichts all des täglichen Lärms in uns. Hier draußen [in Laulasmaa], im Wald … erlebt man die Stille um sich herum. Der Zuhörer im Einklang mit der Umgebung.“

Women looking at Keila Waterfall during autumn in Estonia

Quelle: Priidu Saart, Visit Estonia

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