
Wie Estland seine Unabhängigkeit zurückerlangte
Am 20. August 1991 erklärte Estland erneut seine Unabhängigkeit. Alljährlich wird dieser Tag mit feierlichen Veranstaltungen im ganzen Land begangen.
Die Singende Revolution und die Menschenkette, die Estland, Lettland und Litauen verband – bekannt als der "Baltische Weg" – waren entscheidende Ereignisse auf dem Weg zur zweiten Unabhängigkeit Estlands. Jedes Jahr finden im ganzen Land Feierlichkeiten statt, um diesen Meilenstein zu würdigen.
Die erste Unabhängigkeit Estlands
Trotz jahrhundertelanger Fremdherrschaft haben die Esten nie aufgehört, für ihre Eigenständigkeit zu kämpfen. Zum ersten Mal erklang das Wort "unabhängig" am 23. Februar 1918, als vom Balkon des Endla-Theaters in Pärnu ein Manifest verlesen wurde, das Estland als souveränen Staat ausrief. Die versammelte Menge antwortete mit dem Gesang von Mu isamaa, mu õnn ja rõõm ("Mein Vaterland, mein Glück und meine Freude"), einem Lied, das später zur estnischen Nationalhymne wurde.
Einen Tag später erreichte die Nachricht Tallinn, und das Dokument wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach dem Unabhängigkeitskrieg und erfolgreichen Friedensverhandlungen trat Estland als eigenständige Nation in die Weltgemeinschaft ein.
Heute wird der 24. Februar als estnischer Unabhängigkeitstag gefeiert.

Quelle: Estonian National Archives, Wikimedia Commons

Besetzung und Fremdherrschaft
Doch die Freude währte nicht lange.
Am 23. August 1939 unterzeichneten die Sowjetunion und Nazideutschland den Molotow-Ribbentrop-Pakt. Dieser Vertrag stellte Estland unter sowjetischen Einfluss und ebnete den Weg für die Annexion des Landes durch die UdSSR im Jahr 1940. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Estland von 1941 bis 1944 von Deutschland besetzt, bevor die Sowjetunion das Land erneut übernahm. Es folgten Jahrzehnte der Fremdherrschaft, bis die Ereignisse der späten 1980er Jahre das Land erneut auf den Weg zur Freiheit führten.
Wer mehr über das Leben in Estland während der sowjetischen Besatzung erfahren möchte, sollte das Vabamu-Museum in Tallinn besuchen. Dort werden persönliche Geschichten mit informativen Ausstellungen zur jüngsten Vergangenheit Estlands kombiniert.

Eine neue Welle des Nationalbewusstseins
In den späten 1980er Jahren gewann das estnische Nationalgefühl wieder an Kraft. Die von der Sowjetunion eingeführte Politik der Perestroika brachte zwar Reformen, doch gleichzeitig wuchs der Wunsch nach Unabhängigkeit. Am 26. September 1987 erschien in der Tartuer Zeitung Edasi ("Vorwärts") ein Vorschlag für eine wirtschaftliche Autonomie Estlands innerhalb der Sowjetunion.
Die Singende Revolution
Der Sommer 1988 wurde zu einem entscheidenden Moment in der estnischen Freiheitsbewegung. Im Mai wurden die "Fünf Patriotischen Lieder" auf einem Musikfestival in Tartu uraufgeführt, und im Juni fand in Tallinn das Altstadtfestival statt. Nach dem offiziellen Programm versammelten sich Tausende Menschen auf dem Tallinner Lauluväljak (dem legendären estnischen Sängerfestplatz), um patriotische Lieder zu singen.
Am 11. September 1988 fand das "Nationale Sängerfest" statt, zu dem rund 300.000 Esten strömten – fast ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Für die baltischen Völker war das Chorsingen stets eine Quelle der Kraft und des nationalen Zusammenhalts gewesen. In jenem Jahr wurde es zu einem machtvollen Mittel des Protests gegen die sowjetische Vorherrschaft.

Quelle: Jaan Künnap, Wikimedia Commons
Der Baltische Weg
Neben der Singenden Revolution spielte eine weitere spektakuläre Aktion eine zentrale Rolle: der Baltische Weg (oder "die Baltische Kette").
Am 23. August 1989 bildeten fast zwei Millionen Menschen aus Estland, Lettland und Litauen eine riesige Menschenkette, die sich über 670 Kilometer erstreckte – von Tallinn über Riga bis nach Vilnius.
Das Datum war bewusst gewählt: Es war der 50. Jahrestag des Molotow-Ribbentrop-Paktes. Die Aktion zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich und setzte ein unübersehbares Zeichen des Widerstands – selbst für Moskau.
Der Baltische Weg
Gelistet im immateriellen UNESCO Welterbe
Die Wiedererlangung der Unabhängigkeit
1991 erreichten die Ereignisse ihren Höhepunkt. Der breite Druck für die Wiederherstellung der estnischen Unabhängigkeit wuchs weiter. Nach dem Augustputsch in Moskau erklärte Estland am 20. August 1991 offiziell seine Unabhängigkeit, als der Oberste Rat Estlands die faktische Eigenstaatlichkeit beschloss.
Heute ist der 20. August ein nationaler Feiertag: der "Tag der Wiederherstellung der Unabhängigkeit" – ein Tag, der in ganz Estland mit Stolz gefeiert wird.
Lassen Sie sich inspirieren ...
Last updated
14.04.2025