Die Küstenschweden
Lange war Schwedisch an der Westküste Estlands zu hören, und schwedische Ortsnamen zeugen von 700-jährigen Geschichte der Küstenschweden in Estland.
Die wichtigsten Siedlungsgebiete der Küstenschweden waren die Inseln Ruhnu und Vormsi, die Pakri-Inseln, die Halbinsel Noarootsi, Osmussar und das Gebiet um Haapsalu. Die Küstenschweden selbst nannten die Region, in der sie sich niederließen, Aiboland.
Wer sind die Küstenschweden?
Es ist nicht klar, wann genau Schweden begannen die Küstengebiete Estlands zu besiedeln, aber diverse Zeugnisse belegen, dass sie schon vor über 700 Jahren hier waren. Im Stadtrecht von Haapsalu wird bereits 1294 eine schwedische Gemeinde erwähnt.
Die neueste Theorie besagt, dass sie zu Beginn des 13. Jahrhunderts von Öland, der zweitgrößten Insel Schwedens, zunächst auf die Insel Vormsi kamen. Sicher ist: Die frühe Ansiedelung der Schweden wurde staatlich organisiert und sie lebten nach dem "schwedischen Gesetz": Sie waren freie Menschen und hatten mehr Rechte als die Esten, die damals noch Leibeigene waren.
Landwirtschaft und Fischfang
Die Küstenschweden bewirtschafteten das Land, hüteten Vieh oder lebten von der Fischerei.
Ein Stück Skandinavien an der Westküste Estlands
Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs konnte man an der Westküste Estlands neben Estnisch und Deutsch oft Schwedisch hören, das sich jedoch stark vom heutigen Schwedisch unterschied – so stark, dass selbst schwedische Muttersprachler kaum etwas verstanden hätten. Das Küstenschwedisch hatte sich 700 Jahre lang sehr autonom entwickelt.
Die Küstenschwedinnen trugen schwarze Faltenröcke, die sich deutlich von den bunt gestreiften Röcken der Esten unterschieden. Auf Ruhnu und Vormsi trugen die Frauen noch bis weit in die 1930er Jahre hinein täglich diese Trachten.
Der Zweite Weltkrieg veränderte das Leben der Küstenschweden in Estland. Zwischen 1943 und 1944 floh der größte Teil der Gemeinschaft vor der sowjetischen Besatzung und suchte Zuflucht in der ursprünglichen Heimat auf der anderen Ostseeseite.
Auf dem Festland
Haapsalu
Haapsalu wird oft als die Hauptstadt der estnischen Schweden bezeichnet, da sich hier ihre wichtigsten Siedlungen befanden. Neben den Küstenschweden hat Haapsalu noch eine weitere Verbindung zu Schweden: Ilon Wikland, die vor allem für ihre Illustrationen der Bücher von Astrid Lindgren bekannt ist, verbrachte hier ihre Kindheit. Heute können Sie Ilons Wunderland besuchen – Ihre Kinder werden dort großen Spaß haben!
Um sich einen Überblick über das Leben und die Geschichte der Küstenschweden zu verschaffen, sollten Sie das Museum der Küstenschweden in Haapsalu besuchen. Eines der Highlights des Museums ist ein 20 Meter langer Teppich, der für den Besuch des schwedischen Königs im Jahr 2002 gestickt wurde.
Quelle: Rivo Veber, Visit Estonia
Die Noarootsi-Gemeinde
Noarootsi, auf Schwedisch als Nuckö bekannt, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Zentrum der schwedischen Gemeinschaft an der Küste. Hier wurden damals wichtige estnisch-schwedische Organisationen gegründet.
In den 1920er und 1930er Jahren gab es auf dem Gutshof Pürksi eine schwedische Volkshochschule, in der junge estnische Schweden etwas über moderne Landwirtschaft und Hauswirtschaft lernten. Gegenüber der Kirche in Noarootsi befindet sich ein Pastorat, eines der ältesten Holzgebäude in Estland.
Quelle: Silver Raidla
Auf den Inseln
Quelle: Priidu Saart, Visit Estonia
Vormsi
Auf dem Friedhof der Insel Vormsi, die auf Schwedisch Ormsö heißt, stehen rund 350 keltische Kreuze, mehr als irgendwo sonst auf der Welt.
Zwischen der mittelalterlichen St. Olai-Kirche und dem Friedhof befindet sich ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen des estnischen Unabhängigkeitskrieges. Es ist eines der wenigen Denkmäler, die während der sowjetischen Besatzung nicht zerstört wurden, wahrscheinlich weil der Text auf Schwedisch geschrieben ist und die Soldaten, die auf der Insel ankamen, ihn nicht verstehen konnten.
In Sviby können Sie sich im Bauernhofmuseum über das Leben auf Vormsi informieren.
Osmussaar und die Pakri Inseln
Auf Schwedisch heißt Osmussaar „Odensholm“. Der Legende nach begab sich der hochbetagte skandinavische Gott Odin dorthin, um zu sterben. Im Jahr 1939 mussten die sieben Familien, die auf Osmussaar lebten, ihre Insel aufgeben, da sowjetische Militärstützpunkte errichtet werden sollten. Jetzt haben ihre Nachkommen die Ruinen der Inselkapelle restauriert, um dort im Sommer Predigten zu halten.
Wie in Osmussaar ist von den schwedischen Küstensiedlungen auf den Väike- und Suur-Pakri-Inseln nicht viel übrig geblieben. Die Inseln wurden während der sowjetischen Besatzung als Übungspolygon für Bombenangriffe genutzt.
Quelle: Rivo Veber,, Visit Estonia
Ruhnu
Die Insel Ruhnu, auch Runö genannt, liegt näher an Lettland als an Estland. Der Legende nach mussten sich die Ruhnu-Schweden in den 1920er Jahren entscheiden, ob sie zu Estland oder zu Lettland gehören wollten. Die Faktoren, die den Ausschlag für Estland gaben, waren Robben und Frauen: Die Ruhnu-Schweden waren hervorragende Robbenjäger, und die besten Gebiete dafür lagen in Estland. Die schwedischen Küstengebiete, in denen man eine Frau finden konnte, gehörten ebenfalls zu Estland.
Trotz der Tatsache, dass die Insel Ruhnu recht klein ist, stehen zwei Kirchen nebeneinander. Die Kirche der Heiligen Magdalena wurde im 17. Jahrhundert erbaut und ist die älteste Holzkirche in Estland. Eine zusätzliche Steinkirche wurde im 20. Jahrhundert gebaut, als die Gemeinde mehr Platz benötigte. Auf dem Kirchhof findet man merkwürdige "überdachte" Kreuze, anhand derer ein geschultes Auge erkennen kann, ob hier eine Frau oder ein Mann begraben wurde.
Das Ruhnu-Museum beherbergt Werkzeuge, die von Robbenjägern vor bis zu achttausend Jahren verwendet wurden, sowie ein Robbengewehr.
Quelle: Ruhnu vallavalitsus
Hier erfahren Sie mehr über Estlands Küstenschweden
Die Küche der Küstenschweden
Die Küstenschweden waren Fischer, Viehzüchter und Landwirte, obwohl die Bewirtschaftung des felsigen Bodens an der Küste schwierig war. Was die Felder hergaben, wurde auf den Märkten in Stockholm, Turku und Helsinki verkauft. Die Inselbewohner von Ruhnu waren außerdem als Robbenjäger bekannt und auf den Pakri-Inseln wurde Schafskäse hergestellt.
Rezepte aus der Region wurden von Generation zu Generation weitergegeben, so dass viele lokale Rezepte und Zubereitungsmethoden bis heute erhalten geblieben sind.
Quelle: Ragne Värk, Visit Estonia
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Last updated
05.08.2024