Viljandi ist ein bildhübsches und beneidenswert entspanntes Städtchen. Wer Ruhe sucht, aber trotzdem nicht die Zivilisation fliehen will, weil man Annehmlichkeiten wie den Besuch ausgezeichneter Restaurants ja durchaus auch in genussreicher Unaufgeregtheit erleben kann, der sollte es unbedingt mit Viljandi versuchen. Man wird sich wechselseitig mögen.
Müßiggang – dieses schöne alte Wort, das heute kaum noch jemand kennt (geschweige denn, seinen Inhalt praktiziert) – passt perfekt zu Viljandi. Man könnte beinahe sagen: Viljandi ist die Stadt des Müßiggangs. Spazierengehen – auch in der alten Version des Flanierens –, dabei die Gedanken schweifen lassen, sich absichtslos umsehen, etwas entdecken und es ausführlich betrachten; bei schönem Wetter, Lust und Laune ein Bad im See nehmen, anschließend in der Sonne entspannen, um dann eines der netten kleinen Kaffees aufzusuchen und dort den Nachmittag einzuläuten: All das kann man wirklich kaum irgendwo besser als in diesem mit dem Geist des Savoir-vivres gesegneten Ort.
Das Städtchen ist auffallend grün. Es verfügt über mehrere Parks, eine gewachsene alte und sehenswerte Architektur – darunter viele Holzhäuser –, über anregend plätschernde Brunnen, mehrere Kirchen (darunter mit der Pauluskirche über einen beeindruckenden Sakralbau und mit der Johanniskirche über die Kirche mit Estlands aufwändigstem Glockenspiel) und die berühmte Ruine der ehemaligen Ordensburg. Auf deren Gelände findet alljährlich das größte und landesweit beliebte Folkmusic-Festival Estlands statt.
Rund 18.000 Einwohner zählt Viljandi. Es liegt im Landesinneren, etwa auf halber Strecke zwischen dem westestnischen Seebad Pärnu und der Universitätsstadt Tartu, auf leicht hügeligem Gelände an den Ufern eines langgestreckten Sees, der praktischerweise just auf denselben Namen wie die Stadt hört.
Die Aussicht vom Schlossberg, auf dem die Ruine der ehemaligen Ordensburg eine herrliche mittelalterliche Kulisse abgibt, ist wunderbar: Man schaut direkt hinunter auf den See und hinüber auf den komplett bewaldeten Teil des Ufers. „Pittoresk" ist just das, was einem dazu als Begriff einfallen will.
Und dann läuft man ein bisschen im Schlosspark herum. Dass an dessen Hängen Schafe grasen, mitten in der Stadt, wundert einen bereits nicht mehr – und die schöne, fast 100 Jahre alte Hängebrücke nimmt man in dieser Umgebung so selbstverständlich hin wie andernorts die typische und erwartete Architektur eines Bahnhofvorplatzes. Es passt einfach alles.
Foto: Marek Metslaid, Visit Estonia
Traditionell empfängt Viljandi am letzten Juliwochenende Fans des Folkmusic-Genres. In den Festivaltagen verdoppelt sich die „Einwohnerzahl" regelmäßig: das Musikfest ist ausgesprochen beliebt und gut besucht – und es ist nicht das einzige musikalisch Event, das hier übers Jahr stattfindet; auch das Gitarrenfestival, beispielsweise, hat Tradition.
Überhaupt ist Viljandi eine echte Kulturstadt, die selbstverständlich über ein eigenes Theater, mehrere Museen und Kunstgalerien und sogar über eine Kulturakademie (als Außenstelle der Universität Tartu) verfügt. Einen Besuch im Kondas-Zentrum sollte man sich nicht entgehen lassen; die Erdbeeren werden Sie dorthin leiten.
Die Gastronomieszene der Stadt ist vielfältig. Insbesondere empfehlenswert sind die klassischen estnischen „Kovihks" („Cafés"), in denen es typischerweise nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern in aller Regel auch eine kleine Karte mit exquisiten Speisen gibt. Mindestens das Café Fellin und das Restaurant Harmoonia sollte man während eines Aufenthaltes in Viljandi aufsuchen. Und wenn man alles richtig machen will, mietet man sich im Grand Hotel Viljandi ein, das neben seiner gediegenen Einrichtung und seiner Lage mitten im Stadtzentrum praktischerweise auch noch über ein sehr gutes Restaurant verfügt.